Freitag, 25. April 2008

Indien - ein Reiseland?

Meine dritte, bisher laengste und hoffentlich nicht letzte Indienreise ist bereits wieder Vergangenheit. Dreieinhalb Monate waren wir in Zentral- und Suedindien unterwegs. Am Flughafen stellt sich jeweils eine grosse Erleichterung ein, Indien wieder verlassen zu koennen, aber gleichzeitig auch der Wunsch, zurueckzukehren. Es ist mir bewusst, dies ist eine eigentuemliche Haltung. Aber Indien ist nun mal so, man liebt es und man hasst es und zwar gleichzeitig. Es faellt manchmal schwer, zu sagen, was der Reiz dieses Landes ausmacht. Es ist anders als andere Laender, alles ist extremer, wird von vielen Travellern als Reifepruefung des Reisens betrachtet. Wer in Indien reisen kann, der kann in wohl allen anderen Laender reisen.

Dennoch wuerde ich nicht allen ein Besuch in Indien empfehlen, denn die Sinne werden hier auf die Probe gestellt. Oeffentliche Toiletten verbreiten einen unangenehmen Duft, oft wird der Strassenrand, eine Hauswand, der Strand, die Bahngleise oder was sich sonst gerade findet als Toilette benutzt. Das Essen verwoehnt die Geschmacksnerven mit exotischen Dueften. Das Gehoer wird im Strassenverkehr dauernd auf die Probe gestellt. Statt zu bremsen wird gehupt, es gilt das Recht des Staerkeren, Fussgaenger rangieren natuerlich an unterster Stelle. Alles was faehrt, bewegt sich auf den Strassen, Lastwagen, Busse, Kleinbusse, Autos, Ambassadortaxi, Autorikschas, Fahrradrikschas, Motorraeder, Roller, Fahrraeder, Ochsen- und Zebukarren aber auch Elefanten, nicht zu vergessen die heiligen Kuehe, die mitten auf der Strasse stehen oder liegen. Das Hygienegefuehl wird in vielen Hotels getestet, frische Bettlaken oder Kopfkissen kann man nicht immer erwarten, die Matratzen sind oft so hart oder durchgelegen, dass man kaum darauf schlafen kann. Der Duschkopf ist so verstopft, dass nur ein Ringsal Wasser durchkommt und man den Duschkopf abschrauben muss, um genug Wasser zum Duschen zu bekommen. Nur an wenigen sehr touristischen Orten oder in Grossstaedten wird man nicht staendig angesprochen, sei es von Strassenhaendlern oder einfach freundlichen Menschen (Which country from? What's your name? What's your job?...). Meist sind sie schon gluecklich, wenn man ihnen eine einfache Antwort gibt, andere sind hartnaeckiger und wollen einen fundierten Vergleich zwischen Indien und der Schweiz hoeren. Nach Preisen und Einkommen wird auch gerne gefragt, die Inder kennen einfach keine Hemmungen und sind sehr neugierig. Von den unzaehligen Fotos von uns in indischen Fotoalben wollen wir hier nicht mehr sprechen.

Einer der Reize liegt sicher in der unendlichen Groesse des Landes, man kann jahrelang herumreisen und kommt immer wieder an neue Orte. Waehrend man die Schweiz in beiden Richtungen in vier Stunden mit der Bahn durchqueren kann, sind in Indien vier Stunden manchmal die Wartezeit auf den Zug. Jeder der in Indien reist, bereist ein anderes Indien, erlebt anderes, nimmt es anders wahr. Dies haengt auch mit der Art und Weise zusammen, wie man reist. Bereist man das Land auf die luxurioese Variante, hat man es sicher bequemer und schwitzt weniger, kommt aber ausser mit den Angestellten der Hotels, Taxis oder Flugzeugen nicht mit der lokalen Bevoelkerung in Kontakt und erhaelt nur einen aeusserst oberflachlichen Eindruck vom Land. Da wir hingegen immer auf die oeffentlichen Verkehrsmittel zurueckgriffen und in eher guenstigen Hotels uebernachteten, waren wir staendig in Kontakt mit der lokalen Bevoelkerung. Manchmal wurde es uns zuviel und wir suchten eine Unterkunft oder ein Lokal mit mehr Privatsphaere. Die Inder haben ein anderes Naehegefuehl als wir.

Was den Indern fehlt, ist das Gemeinschaftsgefuehl, jeder schaut nur fuer sich. Sei es beim Draengeln am Schalter oder in den Zug, sei es beim Umgang mit dem Abfall. Alles wird auf die Strasse oder aus dem Fenster geworfen, von der eigenen Haustuer zu der des Nachbarn gewischt. Dies zu verstehen, faellt uns eben manchmal schwer.

Wie gesagt, Indien ist kein einfaches Reiseland, aber wer sich nach Indien wagt, will es entweder am gleichen Tag wieder verlassen oder am liebsten gar nicht mehr. Wer sich auf das Abenteuer Indien einlaesst, wird auf jeden Fall entschaedigt, sei es mit Begegnungen mit netten, interessanten Menschen, sei es mit faszinierenden Landschaften, sei es mit intensiven Farben, sei es mit maerchenhaften Palaesten und Tempeln oder sei es, dass man nach einer Reise in Indien ein neuer Mensch ist.

Namaste