Freitag, 25. April 2008

Indien - ein Reiseland?

Meine dritte, bisher laengste und hoffentlich nicht letzte Indienreise ist bereits wieder Vergangenheit. Dreieinhalb Monate waren wir in Zentral- und Suedindien unterwegs. Am Flughafen stellt sich jeweils eine grosse Erleichterung ein, Indien wieder verlassen zu koennen, aber gleichzeitig auch der Wunsch, zurueckzukehren. Es ist mir bewusst, dies ist eine eigentuemliche Haltung. Aber Indien ist nun mal so, man liebt es und man hasst es und zwar gleichzeitig. Es faellt manchmal schwer, zu sagen, was der Reiz dieses Landes ausmacht. Es ist anders als andere Laender, alles ist extremer, wird von vielen Travellern als Reifepruefung des Reisens betrachtet. Wer in Indien reisen kann, der kann in wohl allen anderen Laender reisen.

Dennoch wuerde ich nicht allen ein Besuch in Indien empfehlen, denn die Sinne werden hier auf die Probe gestellt. Oeffentliche Toiletten verbreiten einen unangenehmen Duft, oft wird der Strassenrand, eine Hauswand, der Strand, die Bahngleise oder was sich sonst gerade findet als Toilette benutzt. Das Essen verwoehnt die Geschmacksnerven mit exotischen Dueften. Das Gehoer wird im Strassenverkehr dauernd auf die Probe gestellt. Statt zu bremsen wird gehupt, es gilt das Recht des Staerkeren, Fussgaenger rangieren natuerlich an unterster Stelle. Alles was faehrt, bewegt sich auf den Strassen, Lastwagen, Busse, Kleinbusse, Autos, Ambassadortaxi, Autorikschas, Fahrradrikschas, Motorraeder, Roller, Fahrraeder, Ochsen- und Zebukarren aber auch Elefanten, nicht zu vergessen die heiligen Kuehe, die mitten auf der Strasse stehen oder liegen. Das Hygienegefuehl wird in vielen Hotels getestet, frische Bettlaken oder Kopfkissen kann man nicht immer erwarten, die Matratzen sind oft so hart oder durchgelegen, dass man kaum darauf schlafen kann. Der Duschkopf ist so verstopft, dass nur ein Ringsal Wasser durchkommt und man den Duschkopf abschrauben muss, um genug Wasser zum Duschen zu bekommen. Nur an wenigen sehr touristischen Orten oder in Grossstaedten wird man nicht staendig angesprochen, sei es von Strassenhaendlern oder einfach freundlichen Menschen (Which country from? What's your name? What's your job?...). Meist sind sie schon gluecklich, wenn man ihnen eine einfache Antwort gibt, andere sind hartnaeckiger und wollen einen fundierten Vergleich zwischen Indien und der Schweiz hoeren. Nach Preisen und Einkommen wird auch gerne gefragt, die Inder kennen einfach keine Hemmungen und sind sehr neugierig. Von den unzaehligen Fotos von uns in indischen Fotoalben wollen wir hier nicht mehr sprechen.

Einer der Reize liegt sicher in der unendlichen Groesse des Landes, man kann jahrelang herumreisen und kommt immer wieder an neue Orte. Waehrend man die Schweiz in beiden Richtungen in vier Stunden mit der Bahn durchqueren kann, sind in Indien vier Stunden manchmal die Wartezeit auf den Zug. Jeder der in Indien reist, bereist ein anderes Indien, erlebt anderes, nimmt es anders wahr. Dies haengt auch mit der Art und Weise zusammen, wie man reist. Bereist man das Land auf die luxurioese Variante, hat man es sicher bequemer und schwitzt weniger, kommt aber ausser mit den Angestellten der Hotels, Taxis oder Flugzeugen nicht mit der lokalen Bevoelkerung in Kontakt und erhaelt nur einen aeusserst oberflachlichen Eindruck vom Land. Da wir hingegen immer auf die oeffentlichen Verkehrsmittel zurueckgriffen und in eher guenstigen Hotels uebernachteten, waren wir staendig in Kontakt mit der lokalen Bevoelkerung. Manchmal wurde es uns zuviel und wir suchten eine Unterkunft oder ein Lokal mit mehr Privatsphaere. Die Inder haben ein anderes Naehegefuehl als wir.

Was den Indern fehlt, ist das Gemeinschaftsgefuehl, jeder schaut nur fuer sich. Sei es beim Draengeln am Schalter oder in den Zug, sei es beim Umgang mit dem Abfall. Alles wird auf die Strasse oder aus dem Fenster geworfen, von der eigenen Haustuer zu der des Nachbarn gewischt. Dies zu verstehen, faellt uns eben manchmal schwer.

Wie gesagt, Indien ist kein einfaches Reiseland, aber wer sich nach Indien wagt, will es entweder am gleichen Tag wieder verlassen oder am liebsten gar nicht mehr. Wer sich auf das Abenteuer Indien einlaesst, wird auf jeden Fall entschaedigt, sei es mit Begegnungen mit netten, interessanten Menschen, sei es mit faszinierenden Landschaften, sei es mit intensiven Farben, sei es mit maerchenhaften Palaesten und Tempeln oder sei es, dass man nach einer Reise in Indien ein neuer Mensch ist.

Namaste

Bergbahnen in Indien

In Indien gibt es noch einige wenige Schmalspurbahnen, die oft als "toy trains" (Spielzeugbahn) bezeichnet werden, insbesondere zu verschiedenen Hillstations. Erst im dritten Anlauf ist es uns gelungen, die gewuenschte Fahrt mit einem Hillstationzug durchzufuehren.

Ende Maerz wollten wir mit der Nilgiri Blue Mountain Railway von Mettupalayam nach Ooty fahren. Die 46 km lange Fahrt geht durch 16 Tunnels, elf Bahnhoefe und ueber 19 Bruecken. Dabei ist man fuenf Stunden unterwegs, an gewissen Stellen ist man nicht schneller als ein Fussgaenger. Einzigartig an dieser Bahn ist der Gebrauch eines Schweizerischen Zahnstangenszstems, das den Lokomotiven ermoeglicht, extreme Steigungen zu bewaeltigen. Wegen des ungewoehnlichen Systems koennen die steilsten Abschnitte nur von Originallokomotiven befahren werden und diese Strecke ist deshalb eine der letzten Dampflokstrecken in Suedasien.

Diesen Erlaeuterungen aus dem Reisefuehrer konnten wir nicht wiederstehen und buchten diesen Zug uebers Internet (Ja, das funktioniert in Indien!). Dazu mussten wir von Coimbatore um 5.15 Uhr nach Mettupalayam fahren. Kein Problem, wozu haben wir einen Wecker. Als wir uns in Mettupalayam erkundigen wollen, wo der Zug nach Ooty faehrt, wird uns kurzerhand mitgeteilt, dass wegen Erdrutschen aufgrund der heftigen Regenfaelle seit gestern und bis auf weiteres kein Zug faehrt. Da wir waren wir einen Moment ganz platt. Der ganze Aufwand und dann dies. Vom Unterbruch ist der spektakulaerste Teil nach Coonor betroffen. Von Coonor nach Ooty faehrt der Zug fahrplanmaessig. Also nichts wie auf nach Coonor mit dem Bus, um wenigsten den fahrbaren Teil erleben zu koennen. Die Fahrt war zwar schoen, aber wie gesagt den interessantesten Teil haben wir leider verpasst. Das ist Indien.

Nach dieser nur halbwegs geglueckten Bahnfahrt schauten wir uns nach weiteren Moeglichkeiten um. Von Elke und Juerg, die wir in Kambodscha kennengelernt haben und in Pondicherry nochmals trafen, erfuhren wir, dass die Fahrt von Neral nach Matheran ebenfalls sehr eindruecklich ist. Also planten wir diesen Ausflug als Abschluss vor dem Rueckflug nach Bangkok ein. Wir buchten einen Nachtzug von Goa nach Mumbai, einen Monat im Voraus, aber wir bekamen die Tickets nur dank der Touristenquote. Der Zug haette in Tivim um zehn vor sieben Uhr fahren sollen. Als wir da waren, warteten Unmengen von Leuten in diesem Provinzbahnhof. Wegen den Schulferien setzt die indische Eisenbahn Sonderzuege auf stark befahrenen Strecken ein und dazu gehoert diejenige von Goa nach Norden (Richtung Mumbai). Auf einer Tafel standen die erwarteten Abfahrtszeiten, bei unserem Zug stand 22.30 Uhr. Tatsaechlich kam der Zug dann um halb zwoelf Uhr. Wenigstens war es nicht kalt, sondern eine angenehm warme Nacht. Aber die Fahrt nach Matheran konnten wir natuerlich vergessen, da wir den Zug fuer zehn am naechsten Tag gebucht hatten. Mumbai erreichten wir dann um halb elf Uhr und von Mumbai nach Neral, wo die Bergbahn startet, sind es nochmals zwei Stunden. Braucht keine grossen Rechenkuenste, um zu sehen, dass wir zu spaet dran waren. Am Reservierungsschalter erhielten wir wenigstens die Haelfte des Ticketpreises zurueck, was sich lohnte, da wir ausnahmsweise erste Klasse gebucht hatten. Mit einem Vorortszug fuhren wir von Mumbai nach Neral. Dieser Zug haelt alle paar Minuten fuer etwa dreissig Sekunden, wer also nicht bereit ist, um auszusteigen hat keine Chance mehr. Normalerweise faehrt man mit leichtem Gepaeck, nicht mit Tramperrucksack hinten und kleinem Rucksack vorne. So machten wir uns nicht viele neue Freunde, weil wir mehr Platz beanspruchten. Da wir wussten, dass der Vorortszug etwa zwei Stunden nach Neral unterwegs ist, orientierten wir uns an der Zeit. Erstaunlicherweise fahren diese Vortortszuege sehr puenktlich und sind schneller als mancher Expresszug. Von Mumbai nach Neral sind es 108 km, das in zwei Stunden, auf dem Rueckweg hatten wir sogar nur eine Stunde vierzig Minuten.

In Neral angekommen, nahmen wir ein Taxi, weil der naechste Zug erst drei Stunden spaeter fuhr. Alle Fahrzeuge stoppen zwei Kilometer vor Matheran, weil die Hill Station verkehrsfrei ist. Es besteht die Moeglichkeit, diese zwei Kilometer auf einem Pferd reitend zurueckzulegen, einen Traeger fuer das Gepaeck zu engagieren oder sich gar tragen zu lassen. Wir entschieden uns fuer die sportliche Variante und trugen das Gepaeck selber. Das ausgewahelte Guesthouse namens Hope Hall (!) liegt am Ende des Dorfes und bis dorthin sind es nochmals gut eineinhalb Kilometer. Da wir fuer diesen Tag genung gelaufen sind, mieteten wir uns zwei Pferde und liessen uns zum Sonnenuntergangspunkt fuehren. Richtig geritten sind wir nicht, weil der Pferdefuehrer die Tiere am Zuegel hielt. Auf dem Rueckweg wurde mein Pferd wegen einer Katze bockig und schlug aus, was mich doch glatt aus dem Sattel hob, in dem ich gluecklicherweise auch wieder landete.

Am naechsten Tag war es endlich soweit, wir standen vor der ersten Fahrt in einer Bergbahn, die wir auch so geplant hatten. Dies stimmt eigentlich auch wieder nicht, weil wir einen Zug frueher fuhren als urspruenglich geplant. Die Luftlinie von Matheran nach Neral betraegt 6,5 km, doch die Bahn schlaengelt sich auf nicht weniger als 21 km ins Tal herunter, die Hoehendifferenz betraegt etwa 750 m. Dabei werden 281 Kurven passiert, die zu den engsten Eisenbahnkurven der Welt gehoeren. Die Fahrt war wirklich ein Erlebnis, dank der ersten Klassebillets hatten wir genug Platz und konnten auf beiden Seiten aus dem Fenster schauen. Das Wetter spielte mit und wir hatten strahlend blauen Himmel. Die Kurven hatten teilweise einen Radius von weniger als zwanzig Metern, aber der Zug faehrt nicht besonders schnell, so dass keine Gefahr besteht, dass er entgleist. Landschaftlich wurde uns auch einiges geboten. Fazit: Der ganze Aufwand mit der Anreise von Mumbai im Lokalzug hat sich allemal gelohnt.

Patrik

Donnerstag, 24. April 2008

Goa

Die letzten Wochen unserer Reise verbrachten wir im wohl westlichsten Bundesstaat Indiens, in Goa. Die ersten 2 Naechte uebernachteten wir in der Hauptstadt Panjim, welche noch sehr viel kolonialistisch-portugiesisches Flair hat. Dies spiegelte sich in zahlreichen Gebaeuden und Kirchen wieder. Weiter war augenfaellig, dass sich viele Inderinnen westlich kleiden. So trugen juengere Frauen Hose und T-Shirts und aeltere Jupe und Bluse anstelle des Sarees oder des Salwar Kamise (traditionelle Tunika und Pluderhose). Wir sahen auch ein paar aeltere Frauen mit den bei Portugiesinnen beliebten Kurzhaardauerwellenfrisur. Auch kulinarisch ist Goa speziell, so gibt es traditionelle goanische Gerichte mit Rindfleisch, waehrend im restlichen Land die Kuehe ja heilig sind und nicht "gegessen" werden. Wir blieben dennoch beim vegetarischen Essen. Einmal kochte unser Gaestehausbesitzter in Anjuna ein goanisches Gemuesecurry fuer uns. Die goanische Kueche ist laut Goaner weniger scharf als andere indische Kost, was wir aber nicht unbedingt bestaetigen koennen.

In Panjim machten wir unter anderem einen Ausflug nach Old Goa, der ehemaligen Hauptstadt, wo wir einige alte Kirchen besichtigten. Eine dieser Kirchen war riesig und soll laut Reisefuehrer groesser sein als alle Kirchen in Portugal. Mit ihren 15 Altaeren im Innenraum, war sie schon sehr beeindruckend. Eine andere Kirche war der Peterskirche im Vatikan nachempfunden.

Fuer die letzte Reisewoche planten wir nochmals einen Abstecher am Strand ein. Da es in Goa unzaehlige Straende gibt, war die Wahl dann gar nicht so einfach. Auch beschlossen wir, einen Yogakurs zu besuchen, um nicht die ganzen Tage nur auf der "faulen Haut" zu liegen!

Unsere Wahl viel schliesslich auf Anjuna im noerdlichen Teil von Goa. Waehrend der Reisefuehrer den Ort als Partyort beschreibt, stimmt das waehrend der Nebensaison nicht mehr. Bei unserer Ankunft erlebten wir das Dorf als sehr beschaulich, angenehm und ruhig. Dass waehrend der touristischen Hochsaison hier mehr los sein muss, zeigen zahlreiche geschlossene Restaurants und Shops. Leider mussten wir uns auch mit den Tatsachen der Nebensaison abfinden, als naemlich am Mittwoch unser Stammlokal das OASIS, welches von sehr freudlichen Nepalesen gefuhert wurde, die Tueren bis zur naechsten Saison schloss. Dafuer kamen wir auch in anderen Belangen in den Genuss der Nebensaison. So haben wir unser Gastehauszimmer zu einem recht guenstigen Preis bekommen.

Wir wohnten waehrnd ueber Woche in einem sehr familiaeren Gaestehaus. Die Familie war sehr gespaechig und freundlich. Nebst Tipps und Informationen erzaehlte uns der Familienvater einiges ueber das Leben und die Kultur von Goa und seinen Bewohnern. Zudem besassen sie einen alten, kranken Hund und einen sehr uebergewichtigen Dackel, welcher uns am ersten Tag staendig anklaeffte. Schliesslich wurden wir aber doch seine Freunde und schienen zur Familie zu gehoeren, denn er bellte nicht mehr, wenn er uns sah.

Am Montag um 8 Uhr stand jeweils das Yoga auf dem Stundenplan fuer uns. Fuer einmal wieder ein regelmaessiges Ausstehen, war zu Beginn etwas komisch, doch da es um diese Zeit noch angenehm "kuehl" war, genossen wir es auch, so frueh am Morgen bereits unterwegs zu sein. Da wir waehrend dieser Woche einen Motorroller gemietet hatten, fuhren wir damit zum Yogastudio, welches etwas ausserhalb in einer schoenen Gartenanlage lag. Das Yogaprogramm war im Wechsel Hatha- bzw. Ashtangayoga. Generell hat mir das Hathayoga besser gefallen, waehrend Patrik am dymanischeren Ashtanga mehr Gefallen fand. Am Mittwochnachmittag besuchten wir zudem noch einen speziellen Workshop. In diesem Akro-Yoga machten wir viele Gruppen- bezw. Partneruebeungen, bei denen der Humor und das Lachen definitv nicht zu kurz kam! Aber jeder kann sich ja denken, wie lustig es ausgesehen hat, als mich der kleine, rothaariger Norwege Ingwar mit Vollbart auf seinen Fuessen als "Flugzeug" balancierte! Generell hat uns die Atmosphaere an der Yogaschule sehr gut gefallen. So waren die Instruktoren alles aufgestellte, lockere Typen und keine "gspuersch-mi" Asketen.

Gefreut hat es uns auch, dass wir in Anjuna nochmals Elke trafen. Sie und ihren bereits in die Heimat zureuckgeflogenen Freund haben wir in Kambodscha kennengelernt und in Pondicherry an der indischen Ostkueste wiedergesehen. Da kam der bei uns Frauen so beliebte Klatsch und Tratsch bei Kaffee (leider ohne Kuchen) nicht zu kurz.

Die Nachmittage nutzten wir, um mit dem Motorroller die Umgebung etwas zu erkunden oder zu einem benachbarten Strand zu fahren. Am Samstagabend fuhren wir zudem zu einem tollen Nachtmarkt in der Naehe. Dieser "Ingos-Night- Market" wurde von einem Deutschen ins Leben gerufen. Nebst Musik und Staenden mit leckerem Essen kann hier geshoppt werden, was das Herz begehrt und das Portemonnaie zulaesst...

Bettina

Montag, 14. April 2008

Hampi

Es gibt Orte in Indien, die von allen besucht werden und nachher alle begeistert davon schwaermen. Neben Varanasi, den Backwaters in Kerala und Ladakh gehoert auch Hampi dazu.

Die Tempelruinenstadt Vijayanagar (Stadt des Sieges), der Einfachkeit halber nach dem Hauptort Hampi genannt, liegt am kleinen Fluss Tungabhadra und erstreckt sich ueber eine Flaeche von 26 km2. Wir haben schon einige Tempel, Palaeste und Pavillons gesehen und koennen uns ein Urteil erlauben. Die Ruinen von Hampi gehoeren nicht zu den Highlights, viele sind in einem erbaermlichen Zustand und sehen aelter aus als ihre 400 oder 500 Jahre. Das Spezielle an Hampi ist das surreal wirkende Gelaende mit riesigen goldbraunen Felsbrocken inmitten gruener Reisfelder und Bananenplantagen. Die malerische Lage am Fluss und die spezielle Atmosphaere an diesem Ort machen Hampi zu einem der eindruecklichsten Sehenswuerdigkeiten Indiens.

Die beste Reisezeit liegt zwischen Anfangs November und Ende Maerz, wenn die Tagestemperaturen auch lange Fussmaersche erlauben. Wir waren anfangs April, also in der Nebensaison und merkten dies sowohl an den zum Teil geschlossenen Lokalen oder einer reduzierten Speisekarte, aber auch an den Temperaturen. Wir haben schon lange nicht mehr so geschwitzt wie in Hampi, als wir die Ruinen zu Fuss oder mit dem Fahrrad erkundeten. Vor allem die zweite Fahrradtour bleibt in Erinnerung, weil ich nachdem wir den Fluss mit der Faehre ueberquert haben, nach etwa drei Kilometern einen Platten hatte und wir das Fahrrad etwa zwei Kilometer zurueckstossen mussten, bis wir einen Velohaendler fanden, der auch Reifen flickt. Wir hatten Glueck, eine halbe Stunde spaeter waere er nicht mehr da gewesen, da ein Freund heiratet. So wurde es noch spaeter und entsprechend heisser. Der erste Tempel war ein noch heute benutzter Hanumantempel, zu dem etwa 480 Stufen fuehren, alles in der bruetenden Hitze an der prallen Sonne. Doch die Aussicht (und der bessere Empfang mit dem Mobile!) entschaedigt fuer die Muehen. Der Tempel selber ist wie die meisten noch benutzten Hindutempel fuer uns Nicht-Hindus nichts besonderes. Von hier oben sieht man weit in die Ferne, die Tempelruinen sehen aus wie Spielzeughaeuser und die sonst riesigen Felsbrocken wie Kieselsteine. Nach ausgedehntem Trinkhalt fuhren wir weiter zu den anderen Tempel, einem Durga- und einem Laxmitempel. Beim Durgatempel bekamen wir zusaammen mit einem Mexikaner eine Fuehrung durch einen Sadhu (ein hinduistischer Heiliger ohne Kasten- und Familienbindung) durch das Gebiet um den Tempel herum, wo sich ein altes Fort und einige Hoehlen befinden, in denen es angenehm kuehl war. Am Schluss der Fuehrung brachte er uns vor den Tempel und fragte dann wie so ueblich nach Geld. Eigentlich gingen wir davon aus, dass es Sadhus nicht erlaubt ist, Geld anzunehmen, aber der Wirt unseres Stammlokals meinte, dass sei schon in Ordnung. Sadhus duerfen einfach kein Geld horten, sondern nur fuer den taeglichen Bedarf nutzen. Unser Sadhu wollte mit dem Geld Seife fuer seine Kleider kaufen. Mit unseren Spenden kann es ziemlich viel Seife kaufen. Der Mexikaner nahm ihn dann sogar mit dem Roller bis zum Shop mit.

Natuerlich liessen wir uns den Sonnenauf- und untergang nicht entgehen. Das Timing fuer den Sonnenuntergang war nicht weiter schwierig, wir waren einfach genug frueh da und warteten, bis die Sonnee untergegangen war. So einfach ist das. Um den Sonnenaufgang nicht zu verpassen, fragten wir im Guesthouse, wann wir etwa losgehen sollen. Sie meinte, dass wir um 5.20 Uhr loslaufen sollen. Da uns dies doch reichlich frueh vorkam, verlegten wir die Startzeit auf halb sechs Uhr. Mit Zeitangaben ist in Indien stets vorsichtig umzugehen, vor allem wenn es ums Laufen geht. Wenn die Inder sagen, es sei nur zwei, drei Minuten, entpuppt sich dies nicht selten als ein
Viertelstunde. Inder gehen selten zu Fuss, jeder der etwas auf sich haelt, hat einen fahrbaren Untersatz. Zurueck zum Sonnenaufgang: Obwohl wir versehentlich den weiteren Weg waehlten, waren wir bereits um sechs Uhr auf dem Matanga Hill, der beste Ort zum Geniessen des Sonnenaufgangs. Neben uns waren nur ein Rudel Affen da, aber nicht wegen der Aussicht, sondern weil sie etws zu essen erhoffen. Mit boesen Blicken und Wurfbewegungen versuchten wir sie von uns fernzuhalten. Spaeter kam eine Gruppe von fuenf Russinnen (den knappen Kleidern an direkt von Goa) mit ihrem Lunch, den sie grosszuegigerweise mit den Affen teilten. Kein Wunder sind diese so frech und greifen nach jeder Wasserflasche, die sie sehen. Die aufgehende Sonne tauchte die Landschaft in schoene warme Farben, langsam wurden die einzelnen Gebaeude voneinander unterscheidbar. Bereits nach wenigen Minuten war die Sonne schon genug stark, um die Felsen aufzuwaermen und trieb uns zurueck ins Dorf in den Schatten.

Waehrend unserer ersten Radtour begegneten wir mehreren indischen Familien, die fuer einmal kein Foto mit uns machen wollten, sondern das Gespraech mit uns suchten. Dabei faellt auch immer die Frage, wie es uns in Indien gefaellt und wie wir die Schweiz und Indien miteinander vergleichen. Das Wetter ist ein einfacher Vergleich und die Inder finden es auch sehr heiss im Moment. Wenn Inder unterwegs sind, dann meist nur eine Woche. In dieser Zeit spulen sie ein grosses Programm ab, legen lange Strecken im Fahrzeug zurueck. Die eine Familie hatte einen Gelaendewagen gemietet, der im Ladebereich auch Sitzbaenke hat. In dieses Fahrzeug stiegen mindestens 12 Personen ein. Das Gepaeck auf dem Dach, gekocht wird unterwegs neben dem Parkplatz, geschlafen wahrscheinlich im Auto oder unter freiem Himmel. Die Inder sind schnell mit Tipps zur Hand, was wir auf unserer Reise noch alles anschauen sollen. Doch meist sind die Interessen der Inder und der westlichen Besucher nicht deckungsgleich und wir bleiben bei unserem Programm.

Wenn wir einmal keine Lust auf sportliche Aktivitaeten hatten, setzten wir uns an den Fluss und schautem dem Tempelelefanten beim taegliche Bad zu. Wobei Bad ziemlich harmlos ausgedrueckt ist. Der Mahout (Elefantenfuehrer) schruppte die Haut des Elefanten mit einem Stein. Doch der Elefant liess sich das ohne weiteres gefallen, es schien ihm sogar zu gefallen. Am liebsten hatte er es, wenn ihn der Mahout mit Wasser abspritzte. Des weiteren fuhren wir mit den runden Coracleboote auf dem Fluss. Diese aus Bambusrohren geflochtenen Boote werden hier seit mehr als fuenfhundert Jahren benutzt.

Der Muskelkater und die Rose

In Gokarna hatten wir den ersten richtigen Kontakt mit einem indischen Strand, absolut fantastisch, feiner Sandstrand und kaum Leute. Ausser wenigen Restaurants, die meist auch kleine Huetten vermieten, war gar nichts. Keine nervigen Sarong-, Sonnenbrillen oder Trommelverkaeufer. Dafuer jede Menge Kuehe und Zebus, die auch schon mal in ein Restaurant spazieren. Diese Einsamkeit haben wir genutzt, um uns wieder einmal sportlich zu betaetigen, jeweils am Abend drehten wir eine Joggingrunde auf dem Sand. Das zu kurz gekommene Dehnen raechte sich mit einem laestigen Muskalkater.

In Panjim, die Hauptstadt von Goa, fuenf Busstunden von Gokarna entfernt, war unsere naechste Station. Als wir am Abend essen gehen wollten, kamen wir an der laut Reisefuehrer besten Adresse der traditionellen Mughlaikueche von Goa vorbei. Der Sicherheitsbeamte und der als Maharadscha verkleidete Tuersteher deuteten darauf hin, dass es sich um ein gediegenes Lokal handelt. Da wir aber nicht mehr weit gehen wollten (Muskelkater) und sie uns hineinbaten, gingen wir trotz Bedenken wegen unserer Kleidung hinein. Denn wir waren mit Flipflops und verwaschenem T-Shirt hoffnungslos underdressed. Davon liess sich keiner der Kellner beeindrucken und wir wurden bedient wie die Koenige. Jeder Kellner war nur fuer einen Tische zustaendig, so wurde uns sofort nachgeschoepft oder -geschenkt. Waehrnd dem Essen kam ein Kellner mit einer Kamera vorbei und machte eine Foto von uns, die uns als Ausdruck uebergeben wurde. Die Rechnung wurde mit einer Rose fuer die Dame ueberbracht. Fuer den fuer unsere Verhaeltnisse exquisiten Abend bezahlten wir inklusive Nachspeise 855 Rs, wobei wir selbstverstaendlich auf 1000 Rs. aufrundeten. Dies sind etwa 30 Fr., ein eigentlich laecherlicher Betrag. Wenn man aber bedenkt, dass wir sonst in indischen Lokalen 150 bis 200 Rs. bezahlen oder schon fuer 1000 Rs. einen ganzen Tag mit Uebernachtung gelebt haben, sieht es wieder anders aus. Doch es war's wert.

Noch erwaehnenswert war die Toilette. Eine eigens fuer die Toilette angestellte Person betreute einem. Reichte Kosmetik-, Handtuechlein oder Ohrenstaebchen, oeffnete den sich mit einem Sensor oeffnenden Eimer. Dass es sich um die sauberste und am besten ausgestattete Toilette in Indien handelt, muss wohl nicht extra erwaehnt werden.

Dienstag, 8. April 2008

Kathakali in Kerala

Nebst den Backwaters gehoert der Besuch einer Kathakalivorstellung zu den herausragenden Ereignissen einer Keralareise. Wir besuchten zweimal eine solche Vorstellung, um etwas ueber dieses fuer uns so fremde und doch sehr faszinierende, uralte, ritualisierte Tanztheater zu erfahren.

Das Tanzdrama Kathakali meint woertlich "katha" = story und "kali" = play, was "Geschichten spielen" meint. Urspruenglich stammt diese Form von Theater oder Tanz aus dem 17. Jahrhundert und ist heute zu einem Markenzeichen von Kerala geworden. Das Bild vom traditionellen Kathakalidarsteller in prachtvollem Kostuem mit riesiger Goldkrone und befremdlicher Maske findet sich auf allen moeglichen Produkten wieder - von der Streicholzschachtel bis zum TV Werbespot fuer Waschmittel.

Die Themen der gespielten Geschichten handeln von traditionellen, hinduistischen Epen und kreisen vorwiegend um goettliche Helden. So gibt es so gut wie keine naturalistischen Elemente, denn im Mittelpunkt der Darstellung steht die Welt der Goetter und der Daemone. Sowohl die maennlichen als auch die weiblichen Rollen werden von Maennern gespielt.

Waehrend traditionelle Vorstellungen so gegen 22 Uhr beginnen und vor einem Tempel gespielt werden und bis zum Morgengrauen andauern, besuchten wir Touristenvorstellungen in extra dafuer gebauten Theater, wo die Vorstellung nur eineinhalb Stunden dauerte.

Vor der eigentlichen Vorstellung hatten wie jeweils die Gelegenheit, dem Schminken der aufwaendigen Masken beizuwohnen. Die Farben stammen fast ausschliesslich auf Mineralien von umterschiedlichen Gesteinen und werden mit Kokosnussoel angeruehrt. Die Gestaltung der Maske wird von den Taenzern selbst vorgenommen oder von speziell ausgebildeten Kuenstlern uebernommen. Die Schminke ist sehr wichtig, versinnbildlichen ihre Farben doch die einzelnen Charaktere: "gruen" meint "rein" und es handelt sich bei der Figur immer um einen Gott oder einen edlen Menschen. "Rot" beispielsweise meint "Leidenschaft" oder "Aggression", "schwarz" bedeutet "Dunkelheit" oder "negative Einstellung" und "weiss" schliesslich versinnbildlicht "Licht" und "Intellekt". Nach der Fertigstellung der Maske werden den Taenzern aufwaendig gestaltete Roecke um die Hueften gebunden. Als Unterock werden alte Reissaecke verwendet, um dem eigentlichen Rock die noetige Fuelle zu geben. Verzierungen aus Silber und Gold werden hinzugefuegt. Zum Abschluss wird eine bis zur Huefte reichende Peruecke angezogen und die grosse Krone aufgesetzt. Die unglaubliche Verwandlung des feingliedrigen, schmalhueftigen jungen Mannes zu einem stolzen Taenzer war fuer alle Zuschauer bereits ein erstes Highlight vor der eigentlichen Vorstellung. Wenn man weiss, dass das Gewicht des ganzen Kostuems 40 kg oder mehr ist, umso unfassbarer war die Leistung der Taenzer fuer uns.

Die Darsteller sprechen waehrend der Vorstellung nicht und geben auch sonst keine Geraeusche von sich, abgesehen von dem einen oder anderen sonderbaren Schrei. Erzaehlt wir die Geschichte einzig mit Mimik, Gesten und Gebaerden. Das Erlernen der komplizierten Handbewegungen und Augenbewegungen, die so aussagekraeftig und praziese sind wie jegliche Zeichensprache, erfordert eine harte Ausbildung, die manchmal bereits im Alter von acht Jahren beginnt und bis zu zehn Jahre dauert. Vor Vorstellungsbeginn demonstierte uns einer der Taenzer die 24 ueblichen Mudras (=Handzeichen/ -bewegungen) und demonstierte Theaterelemente wie Liebe, Hass, Lotusblume, Hirsch,... Wir waren absolut fasziniert von der totalen Koeperbeherschung und Praezision des Ausdrucksweise nur mit dem Koerper. Etwas erschocken waren zur zu Beginn ob der roten Augen der Taenzer. Die roten Augen der Taenzer haben ebenfalls eine rituelle Bedeutung und werden mittels einem Pflanzensamen erzeugt, der vor der Vorstellung ins Auge gegeben und nach der Vorstellung wieder entfernt wird.

Begleitet wir das Spiel vom mindestens zwei Trommlern. Der eine spielt mit schmalen, leicht gebogenen Stoecken eine senkrecht stehende Trommel. Der Andere spielt eine horizontale, fassfoermige Handtrommel. Die Trommler behalten die Darsteller stets im Auge und verstaerken jede einzelne Geste mit ihrem Instrumenten- von der sanftesten Umarmung der Geliebten bis zum blutigen Aufschlitzen des Feindes...

Bettina




Sonntag, 6. April 2008

Kalaripayattu

Hinter dem Zungenbrecher "Kalaripayattu" (Malayalam Kampfplatzuebung) verbirgt sich eine Kampfkunst, die der Legende nach seit 3000 Jahren in Kerala betrieben wird. Die Anhaenger des Kalaripayattu bezeichnen es als die Mutter aller Kampfkuenste. So fuehren beispielsweise die Spuren des bekannten Shaolin Kung Fu's zu buddhistischen Moenchen in Indien.

Gemaess Ueberlieferungen liessen altindischer Kriegsführer, um unnötiges Blutvergießen ihrer Armeen zu vermeiden, zwei Kalarippayat-Kämpfer gegeneinander antreten, die für ihre Herrscher ein Duell auf Leben und Tod austrugen. Die Krieger stellten die Elite-Leibgarde der Maharajas. Kalarippayat-Krieger galten als besonders furchtlos und ihren Herrschern ergeben und verwickelten während der britischen Eroberung die Kolonialmacht erfolgreich in einige Auseinandersetzungen.

Man vermutet, dass das Kalarippayat eine rein indische Kriegskunst ohne äußere Einflüsse ist. Man findet ähnliche Formen der Bewegungen im klassischen indischen Tanz. Ein Meister und Lehrer (Gurukal) des Kalarippayat ist in seinem Dorf nicht nur Meister der Kampfkünste, sondern auch der Dorfarzt. Besonders im Behandeln von Knochenbrüchen, Quetschungen, Stauchungen und in der indischen Ayurveda-Heilkunst sind sie sehr gefragt.

Im Kalaripayattu wird sowohl ohne wie auch mit Waffen gekaempft, wobei die Waffen (Schwert, Bambusstab, Metallpeitsche, Messer,...) als Verlaengerung des Koerpers verstanden werden.

In Kochi besuchten wir eine Kalaripayattuvorstellung, neben uns waren nur noch fuenf weitere Zuschauer anwesend. Ein weiterer Beweis, wie schwer es Kampfkunst in der heutigen Zeit hat. Doch die Kaempfer liessen sich von der bescheidenen Kulisse nicht beeindrucken und demonstrierten ihr Koennen. Die einzelnen Bereiche wurde einleitend erklaert. Es begann mit Aufwaermuebungen in Form einer Kata (Pflicht), dann folgten Geschicklichkeitsuebungen mit einem und mit zwei langen Bambusstaeben. Bekannt ist Kalaripayattu vor allem durch das Bild von zwei aufeinander zuspringenden Schwertkaempfern, die im Sprung mit ihren Schwertern und Schildern aufeinanderprallen. Dieser einstudierte Schwertkampf folgte als naechstes. Der dunkle Raum und der Sprung stellte meine Kamera leider vor zu grosse Hindernisse. Entweder war das Bild zu dunkel oder es fand sich ein unbedeutender Ausschnitt auf dem Bild. Beim Kampf mit dem Schwert ohne Schild spruehten bei den Hieben die Funken und die Kante der Schwerter waren schon ganz gezackt. Die Abwehr von Angriffen mit einem Holzstab oder Messer erinnerte stark an die entsprechenden Verteidigungen im Judo oder Jiu. Nur dass Kalaripayattu nicht auf weichen Matten, sondern auf nacktem Betonboden stattfindet. Zum Schluss demonstrierten die Kaempfer die Handhabung einer etwa zwei Meter langen doppelten Metallpeitsche. Frueher gab es noch laengere Peitschen mit bis zu vier Riemen, die als Gurt unauffaellig um die Huefte geschlungen wurde. Mit dieser Waffe konnte ein Kaempfer gleichzeitig mehrere Gegner in Schach halten. Erst bei der Vorstellung der Kaempfer zum Schluss sahen wir, dass einer von ihnen als Kind unter Polio litt. Das linke Bein zeigte eine Missbildung (verkuerzte Sehnen, weniger Muskulatur, asymmetrische Haltung). Dank jahrelangem hartem Training gelang es dem Mann dieses Handicap zu kompensieren. Umso erstaunlicher ist seine Leistung einzuschaetzen.