Dienstag, 8. April 2008

Kathakali in Kerala

Nebst den Backwaters gehoert der Besuch einer Kathakalivorstellung zu den herausragenden Ereignissen einer Keralareise. Wir besuchten zweimal eine solche Vorstellung, um etwas ueber dieses fuer uns so fremde und doch sehr faszinierende, uralte, ritualisierte Tanztheater zu erfahren.

Das Tanzdrama Kathakali meint woertlich "katha" = story und "kali" = play, was "Geschichten spielen" meint. Urspruenglich stammt diese Form von Theater oder Tanz aus dem 17. Jahrhundert und ist heute zu einem Markenzeichen von Kerala geworden. Das Bild vom traditionellen Kathakalidarsteller in prachtvollem Kostuem mit riesiger Goldkrone und befremdlicher Maske findet sich auf allen moeglichen Produkten wieder - von der Streicholzschachtel bis zum TV Werbespot fuer Waschmittel.

Die Themen der gespielten Geschichten handeln von traditionellen, hinduistischen Epen und kreisen vorwiegend um goettliche Helden. So gibt es so gut wie keine naturalistischen Elemente, denn im Mittelpunkt der Darstellung steht die Welt der Goetter und der Daemone. Sowohl die maennlichen als auch die weiblichen Rollen werden von Maennern gespielt.

Waehrend traditionelle Vorstellungen so gegen 22 Uhr beginnen und vor einem Tempel gespielt werden und bis zum Morgengrauen andauern, besuchten wir Touristenvorstellungen in extra dafuer gebauten Theater, wo die Vorstellung nur eineinhalb Stunden dauerte.

Vor der eigentlichen Vorstellung hatten wie jeweils die Gelegenheit, dem Schminken der aufwaendigen Masken beizuwohnen. Die Farben stammen fast ausschliesslich auf Mineralien von umterschiedlichen Gesteinen und werden mit Kokosnussoel angeruehrt. Die Gestaltung der Maske wird von den Taenzern selbst vorgenommen oder von speziell ausgebildeten Kuenstlern uebernommen. Die Schminke ist sehr wichtig, versinnbildlichen ihre Farben doch die einzelnen Charaktere: "gruen" meint "rein" und es handelt sich bei der Figur immer um einen Gott oder einen edlen Menschen. "Rot" beispielsweise meint "Leidenschaft" oder "Aggression", "schwarz" bedeutet "Dunkelheit" oder "negative Einstellung" und "weiss" schliesslich versinnbildlicht "Licht" und "Intellekt". Nach der Fertigstellung der Maske werden den Taenzern aufwaendig gestaltete Roecke um die Hueften gebunden. Als Unterock werden alte Reissaecke verwendet, um dem eigentlichen Rock die noetige Fuelle zu geben. Verzierungen aus Silber und Gold werden hinzugefuegt. Zum Abschluss wird eine bis zur Huefte reichende Peruecke angezogen und die grosse Krone aufgesetzt. Die unglaubliche Verwandlung des feingliedrigen, schmalhueftigen jungen Mannes zu einem stolzen Taenzer war fuer alle Zuschauer bereits ein erstes Highlight vor der eigentlichen Vorstellung. Wenn man weiss, dass das Gewicht des ganzen Kostuems 40 kg oder mehr ist, umso unfassbarer war die Leistung der Taenzer fuer uns.

Die Darsteller sprechen waehrend der Vorstellung nicht und geben auch sonst keine Geraeusche von sich, abgesehen von dem einen oder anderen sonderbaren Schrei. Erzaehlt wir die Geschichte einzig mit Mimik, Gesten und Gebaerden. Das Erlernen der komplizierten Handbewegungen und Augenbewegungen, die so aussagekraeftig und praziese sind wie jegliche Zeichensprache, erfordert eine harte Ausbildung, die manchmal bereits im Alter von acht Jahren beginnt und bis zu zehn Jahre dauert. Vor Vorstellungsbeginn demonstierte uns einer der Taenzer die 24 ueblichen Mudras (=Handzeichen/ -bewegungen) und demonstierte Theaterelemente wie Liebe, Hass, Lotusblume, Hirsch,... Wir waren absolut fasziniert von der totalen Koeperbeherschung und Praezision des Ausdrucksweise nur mit dem Koerper. Etwas erschocken waren zur zu Beginn ob der roten Augen der Taenzer. Die roten Augen der Taenzer haben ebenfalls eine rituelle Bedeutung und werden mittels einem Pflanzensamen erzeugt, der vor der Vorstellung ins Auge gegeben und nach der Vorstellung wieder entfernt wird.

Begleitet wir das Spiel vom mindestens zwei Trommlern. Der eine spielt mit schmalen, leicht gebogenen Stoecken eine senkrecht stehende Trommel. Der Andere spielt eine horizontale, fassfoermige Handtrommel. Die Trommler behalten die Darsteller stets im Auge und verstaerken jede einzelne Geste mit ihrem Instrumenten- von der sanftesten Umarmung der Geliebten bis zum blutigen Aufschlitzen des Feindes...

Bettina