Freitag, 25. April 2008

Bergbahnen in Indien

In Indien gibt es noch einige wenige Schmalspurbahnen, die oft als "toy trains" (Spielzeugbahn) bezeichnet werden, insbesondere zu verschiedenen Hillstations. Erst im dritten Anlauf ist es uns gelungen, die gewuenschte Fahrt mit einem Hillstationzug durchzufuehren.

Ende Maerz wollten wir mit der Nilgiri Blue Mountain Railway von Mettupalayam nach Ooty fahren. Die 46 km lange Fahrt geht durch 16 Tunnels, elf Bahnhoefe und ueber 19 Bruecken. Dabei ist man fuenf Stunden unterwegs, an gewissen Stellen ist man nicht schneller als ein Fussgaenger. Einzigartig an dieser Bahn ist der Gebrauch eines Schweizerischen Zahnstangenszstems, das den Lokomotiven ermoeglicht, extreme Steigungen zu bewaeltigen. Wegen des ungewoehnlichen Systems koennen die steilsten Abschnitte nur von Originallokomotiven befahren werden und diese Strecke ist deshalb eine der letzten Dampflokstrecken in Suedasien.

Diesen Erlaeuterungen aus dem Reisefuehrer konnten wir nicht wiederstehen und buchten diesen Zug uebers Internet (Ja, das funktioniert in Indien!). Dazu mussten wir von Coimbatore um 5.15 Uhr nach Mettupalayam fahren. Kein Problem, wozu haben wir einen Wecker. Als wir uns in Mettupalayam erkundigen wollen, wo der Zug nach Ooty faehrt, wird uns kurzerhand mitgeteilt, dass wegen Erdrutschen aufgrund der heftigen Regenfaelle seit gestern und bis auf weiteres kein Zug faehrt. Da wir waren wir einen Moment ganz platt. Der ganze Aufwand und dann dies. Vom Unterbruch ist der spektakulaerste Teil nach Coonor betroffen. Von Coonor nach Ooty faehrt der Zug fahrplanmaessig. Also nichts wie auf nach Coonor mit dem Bus, um wenigsten den fahrbaren Teil erleben zu koennen. Die Fahrt war zwar schoen, aber wie gesagt den interessantesten Teil haben wir leider verpasst. Das ist Indien.

Nach dieser nur halbwegs geglueckten Bahnfahrt schauten wir uns nach weiteren Moeglichkeiten um. Von Elke und Juerg, die wir in Kambodscha kennengelernt haben und in Pondicherry nochmals trafen, erfuhren wir, dass die Fahrt von Neral nach Matheran ebenfalls sehr eindruecklich ist. Also planten wir diesen Ausflug als Abschluss vor dem Rueckflug nach Bangkok ein. Wir buchten einen Nachtzug von Goa nach Mumbai, einen Monat im Voraus, aber wir bekamen die Tickets nur dank der Touristenquote. Der Zug haette in Tivim um zehn vor sieben Uhr fahren sollen. Als wir da waren, warteten Unmengen von Leuten in diesem Provinzbahnhof. Wegen den Schulferien setzt die indische Eisenbahn Sonderzuege auf stark befahrenen Strecken ein und dazu gehoert diejenige von Goa nach Norden (Richtung Mumbai). Auf einer Tafel standen die erwarteten Abfahrtszeiten, bei unserem Zug stand 22.30 Uhr. Tatsaechlich kam der Zug dann um halb zwoelf Uhr. Wenigstens war es nicht kalt, sondern eine angenehm warme Nacht. Aber die Fahrt nach Matheran konnten wir natuerlich vergessen, da wir den Zug fuer zehn am naechsten Tag gebucht hatten. Mumbai erreichten wir dann um halb elf Uhr und von Mumbai nach Neral, wo die Bergbahn startet, sind es nochmals zwei Stunden. Braucht keine grossen Rechenkuenste, um zu sehen, dass wir zu spaet dran waren. Am Reservierungsschalter erhielten wir wenigstens die Haelfte des Ticketpreises zurueck, was sich lohnte, da wir ausnahmsweise erste Klasse gebucht hatten. Mit einem Vorortszug fuhren wir von Mumbai nach Neral. Dieser Zug haelt alle paar Minuten fuer etwa dreissig Sekunden, wer also nicht bereit ist, um auszusteigen hat keine Chance mehr. Normalerweise faehrt man mit leichtem Gepaeck, nicht mit Tramperrucksack hinten und kleinem Rucksack vorne. So machten wir uns nicht viele neue Freunde, weil wir mehr Platz beanspruchten. Da wir wussten, dass der Vorortszug etwa zwei Stunden nach Neral unterwegs ist, orientierten wir uns an der Zeit. Erstaunlicherweise fahren diese Vortortszuege sehr puenktlich und sind schneller als mancher Expresszug. Von Mumbai nach Neral sind es 108 km, das in zwei Stunden, auf dem Rueckweg hatten wir sogar nur eine Stunde vierzig Minuten.

In Neral angekommen, nahmen wir ein Taxi, weil der naechste Zug erst drei Stunden spaeter fuhr. Alle Fahrzeuge stoppen zwei Kilometer vor Matheran, weil die Hill Station verkehrsfrei ist. Es besteht die Moeglichkeit, diese zwei Kilometer auf einem Pferd reitend zurueckzulegen, einen Traeger fuer das Gepaeck zu engagieren oder sich gar tragen zu lassen. Wir entschieden uns fuer die sportliche Variante und trugen das Gepaeck selber. Das ausgewahelte Guesthouse namens Hope Hall (!) liegt am Ende des Dorfes und bis dorthin sind es nochmals gut eineinhalb Kilometer. Da wir fuer diesen Tag genung gelaufen sind, mieteten wir uns zwei Pferde und liessen uns zum Sonnenuntergangspunkt fuehren. Richtig geritten sind wir nicht, weil der Pferdefuehrer die Tiere am Zuegel hielt. Auf dem Rueckweg wurde mein Pferd wegen einer Katze bockig und schlug aus, was mich doch glatt aus dem Sattel hob, in dem ich gluecklicherweise auch wieder landete.

Am naechsten Tag war es endlich soweit, wir standen vor der ersten Fahrt in einer Bergbahn, die wir auch so geplant hatten. Dies stimmt eigentlich auch wieder nicht, weil wir einen Zug frueher fuhren als urspruenglich geplant. Die Luftlinie von Matheran nach Neral betraegt 6,5 km, doch die Bahn schlaengelt sich auf nicht weniger als 21 km ins Tal herunter, die Hoehendifferenz betraegt etwa 750 m. Dabei werden 281 Kurven passiert, die zu den engsten Eisenbahnkurven der Welt gehoeren. Die Fahrt war wirklich ein Erlebnis, dank der ersten Klassebillets hatten wir genug Platz und konnten auf beiden Seiten aus dem Fenster schauen. Das Wetter spielte mit und wir hatten strahlend blauen Himmel. Die Kurven hatten teilweise einen Radius von weniger als zwanzig Metern, aber der Zug faehrt nicht besonders schnell, so dass keine Gefahr besteht, dass er entgleist. Landschaftlich wurde uns auch einiges geboten. Fazit: Der ganze Aufwand mit der Anreise von Mumbai im Lokalzug hat sich allemal gelohnt.

Patrik