Samstag, 23. Februar 2008

Zwei Schweizer auf Pilgerreise

Von Puri fuhren wir mit einem Tages-Nachtzug nach Tirupati, einem Wallfahrtsort der Hindus. Insgesamt waren wir gut 28 Stunden unterwegs, mit einer laeppischen Verspaetung von einer halben Stunde. Fuer die 1231 km lange Fahrt bezahlten wir den Spottpreis von 1062 Rs. (etwa 30 Fr.). Eigentlich wurde uns beschieden, dass der Zug ausgebucht sei, aber es gibt da noch verschiedene Quoten, von denen wir profitieren konnten. Da gibt es einmal die tourist quota, hier werden Sitzplaetze und Betten fuer Touristen zurueckgehalten. Wir dagegen griffen auf die Tatkal-Tickets zurueck. Der Haken an dieser Regelung ist, dass man den ganzen Ticketpreis bezahlen muss sowie einen Zuschlag von 150 Rs. Fuer uns genau richtig, da wir sowieso die ganze Strecke fahren. Was uns ein bisschen stutzig machte war der Umstand, dass diese Tickets erst am Abfahrtstag ausgegeben werden koennen. Geht der Zuschlag wohl in die Tasche des Schalterbeamten? Uns egal, waren wir froh die Nahkampfzone Bahnschalter mit Erfolg verlassen zu koennen.

In Konark, knapp 33 km von Puri entfernt, fand waehrend unserer Anwesenheit ein Dance & Music Festival statt. Bzw. wir aenderten unsere Plaene so, dass wir den ersten Tag mitverfolgen konnten. Dies hat sich absolut gelohnt, denn die Taenze in Orissa gehoeren klar zu den Highlights kultureller Veranstaltungen. Organisatorisch hatte die Veranstaltung zwischendurch das Niveau einer Schuelerauffuehrung, aber kuenstlerisch war es erste Klasse. Als wir zwei Stunden vor Beginn auf dem Gelaende aufkreuzten, wurden gerade die Ornamente am Eingangsbogen festgeklebt. Auch ueber die Anfangszeit gab es grosses Raetselraten. Offiziell hiess es 6.45 pm, doch wir hoerten auch 5.30 pm oder 7 pm. Die Laenge der Auffuehrungen wurde mit 2 Stunden angegeben, tatsaechlich dauerte es dann knapp dreieinhalb Stunden. Die Ehrungen der Organisatoren und Goenner mit Schals, Gedenktafeln und einer Blume in Glitzerfolie nahm viel Zeit in Anspruch. Die Taenzerinnen und Taenzer waren sehr ausdrucksstark, anmutig, aber auch sehr dynamisch und athletisch. Auch ein Tablaspieler zeigte uns einen kleinen Einblick in sein Repertoire. Eher in die Abteilung Pausenunterhaltung gehoerten die Dankesreden der Kuenstler auf Englisch.

Wie wir gelesen haben, gilt Tirupati als groesster Pilgerort der Welt. So zieht er beispielsweise mehr Glaeubige an als der Vatikan oder der muslimische Pilgerort Mekka. Jeden Tag treffen mehrere 10'000 Hindus ein, welche zum Venkateshvara Tempel (auch Sri Vari genannt) auf den Tirumala Hill pilgern.

Bereits am Bahnhof fielen uns die vielen Menschen auf, die schlafend, doesend oder sitzend mit "Sack und Pack", "Kind und Kegel" auf einen Zug warteten. Soeben angekommene Pilger hasteten mit ihrem Gepaeck meist zu einem Bus, der sie direkt zu einer Pilgerherberge auf dem Tirumala bringt. Auf Grund unserer Erfahrungen in Pilgerherbergen vor drei Jahren in Amritsar entschlossen wir uns, ein Hotel im Ort zu suchen. Dies war wiederum gar nicht so einfach, obwohl es ein sehr grosses Angebot an Unterkuenften in Tirupati gibt. Aber fuer uns Westler etwas passendes aus dem Angebot von spartanischem, feuchtem "Kellerloch" ohne Fenster, ueber Schmuddelzimmer, wo die Bettwaesche wahrscheinlich nur einmal im Monat gewechselt wird bis hin zu teuren Luxushotel mit Privatbutler auszuwaehlen, war wirklich gar nicht so einfach.

Noch am Abend wollten wir uns ueber die Besucherbestimmungen fuer den Tempel erkundigen, da die Angaben im Reisefuehrer fuer einmal minimal waren. Dies war wiederum ein spezielles Unterfangen, in einer Stadt, wo die meisten Menschen nur einen indischen Dialekt und die Nationalsprache Hindi sprechen. Schliesslich fanden wir in einer riesigen Pilgerherberge einen Angestellten, der uns das System des Dasham Ticket verstaendlich erklaeren konnte. Mit diesem Ticket kann man ein stundenlanges Anstehen vor dem Haupttempel vermeiden. Der Haken an diesem Ticket ist nicht sein Preis (50 Rs), sondern die Ausgabe. An drei Orten in der Stadt kann das Ticket ab fuenf Uhr morgens erworben werden. Wenn die etwa 10'000 Tickets weg sind, gibt es fuer diesen Tag keine weiteren mehr. Wie bei einem Konzert. Normalerweise sei dies so gegen 8.00 Uhr der Fall. Auf dem Rueckweg zum Hotel wollten wir uns den Schalter beim Bushof anschauen, damit wir ihn auch schlaftrunken finden.

Der Weckdienst im Hotel funktionierte, um halb fuenf haemmerte es an unsere Tuer, so als wollte er gleich das ganze Hotel wecken. Als wir fuenf Minuten spaeter immer noch im Zimmer waren, wurde erneut gegen die Tuer gehaemmert. Kurz vor fuenf Uhr erreichten wir den Ticketschalter und reihten uns ein. Lange bewegte sich nichts, zehn Minuten, fuenfzehn, zwanzig, die ersten Pilger verlassen die Schlange und versuchen ihr Glueck an einem der anderen zwei Schalter, fuenfunzwanzig Minuten, eine halbe Stunde. Ein Offizieller kommt aus dem Buero und sagt etwas. Da ich nur das Wort Computer verstehe, fragen wir unsere Nachbarn vor uns. Sie haetten ein Computerproblem, die Ticketausgabe verzoegert sich noch. So gegen sechs Uhr kam Bewegung in die Schlange und es ging vorwaerts. Doch bis wir unsere Tickets in den Haenden hatten, dauerte es nochmals einen gute Stunde. Einige der Pilger hatten schon beim Betrachten des Tickets einen seeligen Blick. Wohl so aehnlich, wie Teenager beim erfolgreichen Kauf eines Tokio Hotel Tickets oder die ein bisschen aelteren fuer ein Robbie Williams Konzert. Beim uns stellte sich beim Betrachten des Papieres kein spezielles Gefuehl ein, am ehesten noch Erleichterung, dass wir nun fruehstuecken koennen. Bei der Ausgabe wird man fotografiert und haelt die Spitze des Zeigefingers auf ein blinkendes Kaestchen. Fuer was das gut sein soll?

Tirumala, das man entweder mit dem Bus oder ueber den vierstuendigen Pilgerweg erreicht, entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer eigenen Stadt mit Hotels, Pilgerherbergen, Restaurants, Shops mit allem moeglichen Pilgerbedarf. Aber auch eine Schule und ein Spital hat es dort. Besonders eifrige Pilger lassen sich den Kopf scheren, weil dies ein Zeichen von Froemmigkeit ist. Was uns besonders ueberraschte war, dass sich auch Frauen den Kopf scheren lassen. Ein spezielles Bild, eine indische Frau ohne ihr praechtiges schwarzes Haar, sondern mit einer Glatze. Aber auch die Haare von Kindern mussten dran glauben. Dass es die Friseure mit dem Rasieren nicht so genau nehmen, bezeugen die vielen Wunden an den Koepfen. Kein Wunder haben die Hut- und Kappenverkaeufer die groessten Staende.

Auf dem Ticket steht die Zeit, wann man sich beim Tempel einfinden soll. Eine Stunde vor dieser Zeit kann man herein, nicht frueher, wie wir feststellen mussten. Um den Tempel betreten zu koennen, muss man alle elektronischen Geraete und auch die Schuhe abgeben. Als wir die Kamera und Mobiles abgeben wollten, fummelte der am Schalter in meiner Kameratasche herum. Aus Reflex klopfte ich ihm auf die Finger und er arbeitete dann weiter, wie wenn nichts geschehen waere. Ist also ueblich so und ich musste mich nicht entschuldigen. Barfuss gings dann weiter Richtung Tempel. Zuerst einmal durch eine Slalomabschrankung, bevor wir nochmals abgetastet wurden, erst danach erreichten wir den Tempel. Wobei es vorlaeufig einmal durch verwinkelte Gaenge ging, die auf der Seite mit Gittern abtrennt waren. Wir fuehlten uns wie Tiger die in die Zirkusmange gefuehrt werden. Sicher nichts fuer Leute mit Klaustrophobie. Nach etwa zehn Minuten wurde unsere Schlange, in der sich die meisten anstaendig benahmen und nicht draengelten mit einer anderen Menschenschlange zusammengefuehrt, die wohl ohne Ticket anstanden. In dieser Schlange wurde deutlich mehr gedrueckt und geschoben. Zusammen ging es Treppen rauf, dann wieder runter (immer noch im "Gitterkanal"!), vorbei an fliegenden Haendlern mit Getraenken (guter Geschaeftssinn), alle Gepaeckstuecke wurde nochmals geroengt (doch niemand schaute auf die Monitore), erst dann erreichten wir den eigentlichen Tempel. Bereits vor dem Anblick der Vishnustatue im zentralen Heiligtum waren einige Pilger um uns herum der Extase nahe. Doch Tempeldiener verhinderten, dass Glaeubige zu lange vor der Statue verharren und zerren uns an den Armen weiter. Danach haetten wir noch weitere Tempel besichtigen koennen, doch wir hatten fuer heute genug. Der Weg zum Ausgang fuehrt noch an den Spendenschalter vorbei. Welche moderner ausgeruestet waren als so manche Bank! Auch hat Tirumala wohl die hoechste Dichte an Bankomaten von ganz Indien. Auch auf das "Abendmal" und die abschliessende Gratismahlzeit, was allen Pilgern abgegeben wird, verzichteten hoeflich. Wobei wir einen Teil des Abendmals an unseren Fuessen klebend mit ins Hotel nahmen. Denn das Haeufchen des suessen Ginger-Klebreises, war wohl nicht jedes Pilgers Geschmackssache, sodass die naechsten 20 Meter nach der Ausgabe eine ziemlich klebrige Angelegenheit waren.

Die Vishnufigur im Venkateshvaratempel sieht ein bisschen aus wie Darth Vader aus Star Wars. Bereits fuer die Figuren von South Park holte sich Hollywood die Inspiration in Indien, naehmlich beim schwarzgesichtigen Gott Jagannath und seinen Geschwistern Balabhadra und Subhadra, die besonders in Orissa sehr beliebt sind.

Patrik und Bettina

Montag, 11. Februar 2008

Varanasi - heilige Stadt am Ganga

Varanasi, die heiligste Stadt der Hindus, ist Ziel vieler Pilger, um an den steinernen Ghats (Treppen) ihre rituellen Waschungen im Gangeswasser durchzufuehren. Die Stadt ist eine der aeltesten ununterbrochen bewohnten Staedte der Welt. Seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. steht sie im Mittelpunkt der hinduistischen Glaubenswelt. Der Fluss Ganges wird als wohltaetige Goettin Ganga personifiziert. Der Ganges gilt als amrita, jenes Elixier, das den Lebenden Reinheit und den Toten Erloesung bringt. Hier zu sterben und verbrannt zu werden, eroeffnet Zugang zum svarga (Himmel) und bringt Erloesung vom Kreislauf der Wiedergeburt. Deshalb kommen viele aeltere Menschen zum Sterben hierher. Doch die vielen Schwermetalle lassen ein Bad keinesfalls ratsam erscheinen. Dazu kommen die menschlichen Ausscheidungen und die ungeklaerten Abwaesser weiter flussaufwaerts gelegener Fabriken. Ob sterilisiertes Gangeswasser noch die Kraft hat, von Suenden zu reinigen, ist umstritten. Derzeit ueberwiegt die Meinung, dass Abkochen zulaessig ist, nicht jedoch eine chemische Behandlung.

Varanasi ist der einzige Ort, den wir in Indien besuchen werden, welchen ich bereits auf meiner ersten Indienreise vor elf Jahren bereiste. Es gibt wohl kaum einen vergleichbaren Ort auf der Welt. Das Gewuehl in der Altstadt mit seinen schmalen Gassen, wo man sich an Kuehe vorbeidraengen muss, das rege Treiben an den Ghats und die internationales Atmosphaere in den Hotels und Restaurants. Wir sind im gleichen Hotel bzw. Rest House abgestiegen wie vor elf Jahren. Es ist wie eine ruhige Oase hoch ueber den Ghats mit einem schoenen Innenhof und Dachterrasse. Ein guter Ort, um sich von der Hektik zu erholen.

In der Altstadt sind die Gassen etwa eineinhalb, manchmal etwas schmaler oder breiter. Klar, dass Rikschas in diesem Bereich nicht erlaubt sind. Weniger klar ist aber fuer uns, warum Fahrraeder und sogar Motorraeder erlaubt sind. Immer wieder hoert man ein Hupen hinter sich, weil ein Motorrad ueberholen moechte. Dies ist gar nicht so einfach, da man als Fussgaenger darauf achten muss, nicht in einen der vielen Kuhflaeden zu treten. In keiner Stadt hat es wohl so viele Kuehe, Stiere und Wasserbueffel wie hier. Da von den Kuehen viele schwanger sind, ist das Passieren der Tiere doppelt schwierig. Auch gilt es auf allfaellige unerwartete Bewegungen des Kopfes zu achten. Doch die Tiere sind viel ruhiger als unsere Kuehe, da sie nur das Leben in der Stadt kennen. Dank ihnen gibt es hier kaum Ratten, denn sie fressen alle organischen und manchmal andere Abfaelle. In diesen Gassen befinden sich unzaehlige kleine Shops, an denen vor allem Bettina ihre Freude hat. Im Gegensatz zu unseren Erwartungen sind viele Besitzer gar nicht aufdringlich und lassen einem mehr oder weniger in Ruhe herumstoebern. Schon mehrmals sind wir aus Shops oder von Staenden davongelaufen, als die Besitzer zu aufdringlich wurden.

Entlang des Ganga befinden sich unterhalb der Villen, Palaeste und Tempel aus dem 18. und 19. Jahrhundert die Ghats. Jede der etwa 100 kleineren oder groesseren ghats besitzt einen Lingam (Phallussymbol, mit dem Shiva identifiziert wird). Jedes Ghat hat fuer die Glaeubigen eine spezielle Bedeutung. Manche sind im Zerfall begriffen, andere geniessen regen Zulauf. Neben den Pilgern saeumen auch Dhobiwallahs (Waescher) die Ghats. Wer schon einmal einem indischen Waescher zugeschaut hat, ueberlegt sich zweimal, ob er seine Waesche wirklich einem Dhobiwallah anvertrauen soll. Zuerst wird die Waesche im Gangeswasser aufgeweicht, dann mit Seife eingeschaeumt und wieder ausgewaschen. Danach wird die Waesche im wahrsten Sinne des Wortes weichgeklopft:mit Schwung wird das gute Teil auf einen grossen, flachen Stein geknallt, um den Dreck herauszuschleudern. Zum Trocknen wird die nasse Waesche auf die Treppen, ein Gelaender oder die "Wiese" gelegt. Ein Buegler versieht jedes Teil mit messerscharfen Buegelfalten. Dazu benutzen sie teilweise um allfaelligen Stromausfaellen zu trotzen Buegeleisen mit heissen Kohlen.

Das wichtigste Krematorium Varanasis ist das Manikarnika Ghat. Normalerweise liegen Verbrennungsstaetten vorborgen am Stadtrand, nicht so in Varanasi. An der Ghat finden rund um die Uhr Einaescherungszeremonien statt, durchschnittlich 200 pro Tag. Doms, die unberuehrbaren Totenwaechter, bauen einen Scheiterhaufen auf. Je nach Vermoegen des Verstorbenen ist dieser mehr oder weniger hoch. Auf einer Bahre wird der in einem Leinentuch verpackte Leichnam, geschmueckt mit Goldfolie und orangen Ringelblumen, zum Ganges getragen, um ins heiligen Wasser getaucht zu werden. Der aelteste Sohn hat sich den Kopf und Schnauz (fast alle Maenner tragen einen Schnauz, der traditionellerweise erst nach dem Tod der Eltern rasiert wird) rasieren lassen und ein weisses Leinentuch um die Huefte und die Schultern angezogen. Ihm gebuehrt die Ehre, den Scheiterhaufen mit heiligem Feuer aus einem Shivatempel in Brand zu stecken. Nach drei Stunden ist der Leichnam verbrannt und die Asche wird in einem weiteren Ritual dem Ganges uebergeben. Am Ghat gehen noch weitere Maenner ihren fuer uns kaum vorstellbaren Berufen nach: sie durchsuchen die Asche des Scheiterhaufens nach (Zahn-) Gold und Silber. Kinder, schwangere Frauen und arme Menschen werden nicht verbrannt, sondern in einem mit Steinen beschwerten Sack direkt dem Fluss uebergeben. Manchmal reichen die Steine nicht aus, um den Leichnam absinken zu lassen.

Neben den Ghats bietet Varanasi eigentlich keine touristichen "Highlights". Im Sueden der Stadt liegt das Fort Ramnagar, das ein typisch indisches Museum beherbergt. Lieder war es nicht erlaubt, zu fotografieren. Nicht, dass die Ausstellungsstuecke besonders erwaehnenswert waeren, interessant ist der Zustand der Objekte. Zu Beginn des Rundgangs standen ein paar Kutschen und Oldtimer, von den Besuchern durch ein Gitter abgetrennt. Sie waren voller Staub, in einer Windschutzscheibe sah man einen Durchschuss von einer Kugel, ein Hinterreifen war platt, bei einem der alten Auto fehlte der Kuehlergrill und die Scheiben der Frontlichter. Den groessten Teil der Sammlung nimmt wie ueblich die Waffenausstellung ein. Gewehre, Duellpistolen, Dolche, Saebel, Lanzen, ein Mann in Uniform mit Gasmaske, ... waren zu betrachten. Aus unserer Sicht der Hoehepunkt waren die ausgestopften Tiere: ein Krokodil, ein Tigerfell und ein asiatischer Baer. Der Panzer des Krokodils blaetterte am Ruecken ab, das Tigerfell hatte bedenklichen Haarausfall und der Baer hatte an den Vorderbeinen ueberhaupt keinen Pelz mehr. Den Schluss bildeten Gemaelde der Maharadschas. Da die Inder alles anfassen, sind die Bilder hinter Glas, wobei sie Restenglas benutzten, auf dem die Markierungen der Glasfabrik noch sichtbar waren.

Da der Fussmarsch zurueck zu unserem Hotel ueber eine lange Bruecke und dann ueber eine Kuhweide fuehrt, wollten wir mit einem Boot zurueckfahren. Nachdem wir den Preis ausgehandelt hatten, wurde uns ein alter, zerbrechlicher Mann mit einem Boot fuer 20 Personen zugewiesen. Oft fuehrt an Rikscha- oder eben Bootsstaenden der einzige, der Englisch spricht die Verhandlung und teilt dann zu. Schon bald stellten wir mit Entsetzen fest, dass der alte Mann viel zu wenig Kraft fuer das grosse Boot hat, zumal es gegen die Stroemung ging. Er griff nicht zu den Rudern, sondern nahm eine lange Stange und versuchte uns am Ufer entlang stossend fortzubewegen. Dies ginge eigentlich noch, wenn nicht sein Stoehnen gewesen waere, das sich wie die letzten Atemzuege anhoerten. Zum Glueck fanden sich dann ein Mann (schwarze und verfaulte Zaehne!) und ein Knabe (strahlend weisse Zaehne!), welche die Hauptarbeit uebernahmen, waehrend sich der Alte (keine Zaehne!) am Heck sitzend aufs Steuern beschraenkte. Wir taten auch unseren Teil, um die Ruderer zu erloesen und nannten ein naeheres Ziel. Selbstverstaendlich gaben wir den vereinbarten Preis sowie ein Bakschisch. Auf dem Rueckweg entlang der Ghats wurden wir immer wieder angesprochen, ob wir ein Boot mieten moechten, doch unser Bedarf fuer den Tag war mehr als gedeckt.

In Varanasi findet man allerlei kulinarische Leckerbissen, vor allem wurde unsere Sehnsucht nach Kaese ein bisschen gestillt. In der Braown Bread Bakery hatten wir sogar ein Kaesefondue! Das mit einheimischem Kaese zubereitete Fondue schmeckte uns besser als manches Fondue, das wir in der Schweiz hatten. Diese Baeckerei hat ueber 30 Kaesesorten im Angebot, alles einheimische Produkte, jeodch mit internationalen Namen. Die Schweiz war mit Emmentaler, Gruyere und Swissly (war Tilsiter) vertreten. Beim Emmentaler fehlten jedoch die Loecher! Das Fondue kostete den stolzen Betrag von 150 Rs. pro Person. Sind zwar nur knapp 6 Fr., doch dafuer koennen wir in einem guenstigen indischen Lokal beide mit Vorspeise und Getraenken essen. Auch sonst haben wir in keiner indischen Stadt so gut gegessen wie in Varanasi, ebenso konnte der Koffeinspeicher (Espresso, Latte Macchiato,...) wieder einmal nachgefuellt werden.

An unserem Abreisetag fand eines der zahlreichen Hinufestivals statt. Bereits vorher wurden in einigen der Gassen Puppen aus Pepiermache einer Goettin aufgestellt und reich verziert. Unter dem Klang von Trommeln trugen meist junge Maenner die Puppen zum Fluss, wo sie auf ein Boot verladen wurde. Dabei brachen bei der einen oder anderen Figur schon einmal eine Verzierung ab. Gleichzeitig liessen sich viele Paare an diesem Tag vermaelen. Der Braeutigum trug, wenn er es sich leisten konnte, die Kleidung eines Maharadjas. Den entsprechenden Turban trugen auch die anderen Heiratswilligen. Die Braut war reich geschmueckt, mit Henna bemalten Haenden und Fuessen, versteckte ihr Gesicht gern hinter einem Schleicher. Auffallend war bei einigen Paaren der Altersunterschied zwischen Braeutigam und Braut. Wegen der Festlichkeiten hatten wir dann Muehe, aus der Altstadt zum Bahnhof zu kommen, da die Strassen noch verstopfter waren als sonst. Doch unsere Aufregung war umsonst, weil unser Zug mit dreistuendiger Verspaetung eintraf, die wir frierend auf dem Perron verbrachten. Unser Ziel erreichten wir zwanzig Stunden spaeter, mit fuenf Stunden Verspaetung. That's India!

Patrik

Montag, 4. Februar 2008

Englisch fuer Anfaenger...

Eigentlich wollte ich ja waehrend unserer Reise auch meine Englischkenntnisse verbessern. Wenn wir nicht gerade mit Schweizern, Deutschen oder Oesterreichern unterwegs sind, bietet sich fuer uns wirklich die Gelegenheit dazu. Waehrend dies mit der einheimischen Bevoelkerung der Laender, die wir bis anhin bereisten, nur selten wirklich moeglich ist. Hier paktizieren wir Drei- bis Vierwortsatz Englisch, welche oft fern von jeden grammatischen Regeln und Grundsaezten ist. So vesteht das korrekte "How long does it takes to..." niemand. Wenn wir aber mit "How many hours to..." fragen bekommen wir meist die richtige Antwort. Generell ist es fast besser, wenn man begrenzte Englischkenntnisse hat, um mit den Einheimischen zu sprechen, da man einfachere Woerter und Redewendungen benutzt, welche sie besser verstehen koennen.

Im Norden Thailand trafen wir ein anderes schweizer Paar. Mit ihnen machten wir am naechsten Tag einen Ausflug mit einem gemieteten Taxis. Nach einigen Minuten Fahrt wollte Fabienne dem Fahrer erklaeren, dass er bei naechster Gelegeheit anhalten soll, da sie zur Toilette muesse. Der Fahrer verstand "Bahnhof" und schaute sie immer wieder unglaeubig an, waehrend sie ihre "Notlage" immer weiter erklaerte. Schliesslich sagte ich zum Fahrer "Stop-toilet-please!" Der Fahrer verstand sofort und nickte freundlich "Oh, yes,yes".

Das indische Englisch, dass hier von vielen Indern in Hotels oder Restaurants praktiziert wird, kommt oft sehr foermlich daher. So sprechen uns die Inder oft mit "Sir" oder "Mam" an. Wir kommen uns dabei extrem alt vor! Auch treffen wir hier praktisch staendig auf Leute, die mit uns ins Gespraech kommen moechten und es meist sehr direkt mit "Hello my friend" oder Patriks geliebten "Hello brother" versuchen. Meist kommt danach die Aufforderung in einem Geschaeft etwas zu kaufen, eine Rikshaw zu nehmen o.ae. Generell sind die Inder einfach neugierig und spontan. So fragen sie meist nach der Begruessung nach dem Herkunftsland ("Which country from?" oder aehnlich), nach dem Beruf, dem Einkommen und dem Familienstand. Es mag wohl fuer viele sehr aufdringlich klingen, was es fuer uns manchmal auch ist, Unbekannte so direkt anzusprechen. Doch die Inder versuchen mit diesen Fragen, den fuer sie wichtigen, gesellschaftlichen Stand des Gegenuebers zu bestimmen.

Auch das geschriebene Englisch der Speisekarten in den Restaurants ist oft sehr amuesant. Machmal muessen wir auch raten, was wirklich gemeint ist. Oft koennen die Restaurantbesitzer kein Englisch und irgendjemand schreibt ihnen die Namen die Gerichte dann handschriftlich vor und dies wird dann abgeschreiben. So kommen es dann vor, dass ein unschoenes a als d interpretiert wird usw... Hier ein paar spezielle Menuevorschlaege oder "Snaxs":
- Peene with overgien
- Peene Napalitana
- Meacroni Creemi Cheese Souce
- Race Plate
- Pienapel
- Potototamato Curry

oder wie waere es mit folgenden Drinks oder eben "Cock Tails"
- Manago Saka
- Gin Fix
- Long is Land Tea

Alles klar...?!?
und guten Appetit wuenscht Bettina

Busfahren in Indien

Eigentlich wollten wir nichts mehr uebers Busfahren scheiben, da wir uns diesbezueglich schon ein paar Mal berichtet haben. Doch auch hier in Indien gibt es immer wieder Neues und zum Teil Amuesantes zu berichten. Die oeffentlichen Busse hier sind hier ohne Ausnahme uralt. Doch solange der Motor laeuft, ist das Fahrzeig einsatzfaehig. Eine zerbrochene Heckscheibe wird einfach mit einem Tuch repariert. Fehlende Steitenfenster sind an der Tagesordnung. Das Gepaeck wird oft auf dem Dach transportiert, da die Gepaecksfaecher durchgerostet sind, sodass das Gepaeck auf die Strasse fallen wuerde.

Meist setzen wir uns ganz hinten in den Bus auf die letzte Sitzreihe. Die Inder draengeln sich meist um die vordersten Sitzplaetze. Manchmal fuehlen wir uns ob dieser Mentalitaet oft wie auf einer Schulreise! Zu hinterst im Bus hat man meist am laengsten bequem Platz. Einmal wurden uns aber explizit die vordersten zwei Sitze hinter dem Fahrer angeboten. Dies hatte in der Folge auch seine Berechtigung, welche wir bei der naechsten Haltestelle feststellen konnten. Da es der letzte Bus am Tag war, musste er einfach alle wartenden Fahrgaeste mitnehmen. Als der Bus nach etwa 20 Minuten weiterfuhr, waere der Ausdruch "Sardinenbuechse" passender gewesen. Mit nur einigen Fingern hielten sich die Menschen zum Teil an einer Stange, am Nachbarn,... fest um nicht aus dem Bus zu fallen...

Ein andermal erlebten wir einen Gefangenentransport mit. Denn Polizeiautos scheint es auf dem Land nicht zu geben, so nimmt man eben auch den Bus. Ein etwas korpulenter Polizist in Uniform stieg mit einem Gefangenen in Handschellen in den Bus und setzte sich auf die Bank neben uns. An den Handschellen war ein dickes Hanfseil geknotet, so hatte der Polizist den Gefangenen buchstaeblich an der Leine. Waehrend der Gefangene die Busfahrt verschlief, betrachtete der Polizist interessiert die Bilder in unserem Reisefuehrer...

A propos Polizei: Heute haben wir in der Zeitung gelesen, dass auf einen Polizeiposten sechs Gewehre gestohlen wurden. Dies war moeglich, da die fuenf diensthabenden Beamten zu dieser Zeit geschlafen hatten! So viel zum Thema Stress bei der Arbeit!

Offizielle Toilettenstopps von Bussen gibt es hier in Indien nicht. Muss der Bus aus irgend einem Grund halten, wird einfach ausgestiegen und das entsprechende "Geschaeft" erledigt. Es wird nicht noch lange nach einem Baum oder Gebuesch gesucht. Diesbezueglich haben die Inder keine Hemmungen. Uns "Westlern" bleiben da eigentlich nur zwei Moeglichkeiten, zum Einen jede Hemmungen verlieren oder seine Blasenmuskulatur zu trainieren.

Bettina

Freitag, 1. Februar 2008

Kaeltewelle in Indien

Nordindien wird im Moment von einer Kaeltewelle heimgesucht und wir stecken mitten drin. In Mumbai wurden die tiefsten Temperaturen gemessen seit 45 Jahren und in Delhi bekamen die Schueler schulfrei. Kaeltefrei statt hitzfrei!

Eigentlich wollten wir gar nicht so weit in den Norden reisen, doch als wir auf der Karte sahen, dass er nur 500 km nach Agra sind, entschieden wir uns dafuer, den 2005 wegen gesundheitlichen Problemen verschobenen Ausflug nach Fatehpur Sikri nachzuholen. So buchten wir von Bhopal einen Nachtzug nach Agra, um von dort mit einem Lokalbus nach Fatehpur Sikri zu fahren. Bereits in Bhopal war es nach Sonnenuntergang ziemlich kalt, waehrend des Tages lagen die Temperaturen im angenehmen Bereich. Abends waren lange Hosen, Socken, Schuhe und Jacke angesagt! Das in Zentralindien, wer haette das gedacht. Eigentlich wollte ich meine langen Hosen nach dem Trekking in Myanmar verschenken, was ich jetzt bitter bereut haette. Der Zug fuhr puenktlich ab, da Bhopal der Startbahnhof ist. Indiens Bahn besteht groesstenteils aus Breitspurlinien und so sind auch die Wagen breiter als bei uns. In einem Schlafwagen hat es pro Abteil wie bei uns drei Betten uebereinander, daneben hat es auf der Stirnseite nochmals zwei Betten, die aber ein bisschen kuerzer sind. Dies waren uebrigens unsere zwei Betten. Etwas habe ich noch nicht erwaehnt, was wichtig ist: der ganze Wagen ist offen. Das heisst, die Abteile sind nicht voneinander abgetrennt! So hoert man das Schnarchen oder die lauten Abwinde der 71 Mitreisenden die ganze Nacht. Decken oder Kissen muss jeder selber mitbringen, so machten die Wolldecken mehr als die Haelfte des Gepaecks der indischen Passagiere aus. In unserem Wagen waren wir die einzigen westlichen Touristen.

Der Zug haette um 4.35 Uhr in Agra ankommen sollen. Als wir mit Sack und Pack um halb fuenf Uhr dem Ausgang zusteuerten, sahen wir auf dem Bahnhofsschild Gwalior stehen und nicht Agra. Einer der hereinkommenden Fahrgaeste meinte, dass wir Agra in eineinhalb bis zwei Stunden erreichen wuerden . Wenn wir das gewusst haetten, waere es eine laengere Nacht geworden. Aber so sassen wir frierend auf unseren Betten, hofften, bald in Agra anzukommen. Die Fenster lassen sich nicht ganz schliessen und auch sonst zieht es durch viele Ritzen. Zum Glueck kam niemand auf die Idee, die Ventilatoren einzuschalten.

Ziemlich durchgefroren erreichten wir dann zwei Stunden spaeter Agra, fuhren mit einer Autorikscha zum Bushof, wo ein klappriger Bus nach Fatehpur Sikri auf uns wartete. Dieser Bus hat mindestens schon zwei Busleben hinter sich. Fuer die 40 km brauchte er etwa eineinviertel Stunden, was recht schnell ist. Mehrmals fuhren wir so ueber Bodenwellen oder durch Schlagloecher, dass es uns von den Sitzen hob.

Die Geisterstadt Fatehpur Sikri war Hauptstadt unter dem Mogulskaiser Akbar, erbaut zwischen 1569 und 1585. Als sich 1600 herausstellte, dass die Wasserversorgung nicht ausreichend war, verlegte Akbar den Hof und seither ist die Stadt verlassen. Dank unfangreichen Restaurierungsarbeiten der Briten vor der Unabhaengigkeit ist die Anlage gut erhalten. So richtig waermten wir uns an dem Tag nicht auf, denn die Sonne hatte grosse Muehe, sich gegen den Nebel und die Wolken durchzusetzen. Ausnahmsweise hielten sich die indischen und westlichen Touristen die Waage. Den Indern war es wohl zu kalt. So wurden wir den ganzen Tag nur einmal um ein Foto gebeten. Welche Wohltat.

Neben dem Palast befindet sich eine grosse Moschee, die Jami Masjid (viele Moscheen heissen so, das bedeutet Freitagsmoschee). Dort wurden wir viel staerker belaestigt, vor allem die "Schuhhueter" wollten uns nicht ohne Tipp gehen lassen. Erst nach den Hinweisen, dass die Inder auch nicht zahlen und "No ticket, no money", liessen sie uns zaehneknirschend ziehen. Auch Bettler sind Auslaendern gegenueber viel hartnaeckiger als zu ihren Landsleuten. Oft sind es Kinder, die uns regelrecht verfolgen.

In unserem Hotel fand an diesem Tag die Ringzeremonie, Teil einer Hochzeitsfeier, statt. Wir waehlten wohl einen unguenstigen Zeitpunkt fuer unsere Rueckkehr, denn wir wurden sogleich vom Hotelmanager zu unserem Zimmer gefuehrt. Da es im Zimmer kaelter war als draussen, spazierten wir durch den Markt, wo wir natuerlich freudig begruesst wurden. Auf dem Rueckweg spuerten wir sogar ein paar Regentropfen. Jetzt auch noch Regen, das wird ja immer besser! Vorlaeufig blieb es bei ein paar Tropfen, spaeter sollte es noch richtig regnen. Also fluechteten wir in ein gedecktes Dachrestaurant, von wo wir einen tollen Blick auf das Marktgeschehen hatten.

Die Feierlichkeiten im Hotel waren noch nicht zu Ende, doch der wichtige Teil war anscheinend vorueber, denn wir konnten ungehindert passieren. Auf einer Leinwand wurde zuerst ein Film gezeigt und dann ein Cricketspiel zwischen den beiden Erzrivalen Indien und Pakistan. Es ist natuerlich klar, dass sie ein Spiel (ab DVD) zeigen, in dem Indien seinen Nachbarn besiegt. Nach dem Abendessen bekamen wir noch Reste vom Dessertbuffet zum Kosten, in Milch gekochte Karotten mit viiieeel Zucker und kandierten Fruechten. Sehr suess und "nahrhaft" (Kalorienbombe!!!). So ueberstanden wir die kalte Nacht, bevor wir am naechsten Tag wieder Richtung Sueden reisten.

Patrik