Freitag, 1. Februar 2008

Kaeltewelle in Indien

Nordindien wird im Moment von einer Kaeltewelle heimgesucht und wir stecken mitten drin. In Mumbai wurden die tiefsten Temperaturen gemessen seit 45 Jahren und in Delhi bekamen die Schueler schulfrei. Kaeltefrei statt hitzfrei!

Eigentlich wollten wir gar nicht so weit in den Norden reisen, doch als wir auf der Karte sahen, dass er nur 500 km nach Agra sind, entschieden wir uns dafuer, den 2005 wegen gesundheitlichen Problemen verschobenen Ausflug nach Fatehpur Sikri nachzuholen. So buchten wir von Bhopal einen Nachtzug nach Agra, um von dort mit einem Lokalbus nach Fatehpur Sikri zu fahren. Bereits in Bhopal war es nach Sonnenuntergang ziemlich kalt, waehrend des Tages lagen die Temperaturen im angenehmen Bereich. Abends waren lange Hosen, Socken, Schuhe und Jacke angesagt! Das in Zentralindien, wer haette das gedacht. Eigentlich wollte ich meine langen Hosen nach dem Trekking in Myanmar verschenken, was ich jetzt bitter bereut haette. Der Zug fuhr puenktlich ab, da Bhopal der Startbahnhof ist. Indiens Bahn besteht groesstenteils aus Breitspurlinien und so sind auch die Wagen breiter als bei uns. In einem Schlafwagen hat es pro Abteil wie bei uns drei Betten uebereinander, daneben hat es auf der Stirnseite nochmals zwei Betten, die aber ein bisschen kuerzer sind. Dies waren uebrigens unsere zwei Betten. Etwas habe ich noch nicht erwaehnt, was wichtig ist: der ganze Wagen ist offen. Das heisst, die Abteile sind nicht voneinander abgetrennt! So hoert man das Schnarchen oder die lauten Abwinde der 71 Mitreisenden die ganze Nacht. Decken oder Kissen muss jeder selber mitbringen, so machten die Wolldecken mehr als die Haelfte des Gepaecks der indischen Passagiere aus. In unserem Wagen waren wir die einzigen westlichen Touristen.

Der Zug haette um 4.35 Uhr in Agra ankommen sollen. Als wir mit Sack und Pack um halb fuenf Uhr dem Ausgang zusteuerten, sahen wir auf dem Bahnhofsschild Gwalior stehen und nicht Agra. Einer der hereinkommenden Fahrgaeste meinte, dass wir Agra in eineinhalb bis zwei Stunden erreichen wuerden . Wenn wir das gewusst haetten, waere es eine laengere Nacht geworden. Aber so sassen wir frierend auf unseren Betten, hofften, bald in Agra anzukommen. Die Fenster lassen sich nicht ganz schliessen und auch sonst zieht es durch viele Ritzen. Zum Glueck kam niemand auf die Idee, die Ventilatoren einzuschalten.

Ziemlich durchgefroren erreichten wir dann zwei Stunden spaeter Agra, fuhren mit einer Autorikscha zum Bushof, wo ein klappriger Bus nach Fatehpur Sikri auf uns wartete. Dieser Bus hat mindestens schon zwei Busleben hinter sich. Fuer die 40 km brauchte er etwa eineinviertel Stunden, was recht schnell ist. Mehrmals fuhren wir so ueber Bodenwellen oder durch Schlagloecher, dass es uns von den Sitzen hob.

Die Geisterstadt Fatehpur Sikri war Hauptstadt unter dem Mogulskaiser Akbar, erbaut zwischen 1569 und 1585. Als sich 1600 herausstellte, dass die Wasserversorgung nicht ausreichend war, verlegte Akbar den Hof und seither ist die Stadt verlassen. Dank unfangreichen Restaurierungsarbeiten der Briten vor der Unabhaengigkeit ist die Anlage gut erhalten. So richtig waermten wir uns an dem Tag nicht auf, denn die Sonne hatte grosse Muehe, sich gegen den Nebel und die Wolken durchzusetzen. Ausnahmsweise hielten sich die indischen und westlichen Touristen die Waage. Den Indern war es wohl zu kalt. So wurden wir den ganzen Tag nur einmal um ein Foto gebeten. Welche Wohltat.

Neben dem Palast befindet sich eine grosse Moschee, die Jami Masjid (viele Moscheen heissen so, das bedeutet Freitagsmoschee). Dort wurden wir viel staerker belaestigt, vor allem die "Schuhhueter" wollten uns nicht ohne Tipp gehen lassen. Erst nach den Hinweisen, dass die Inder auch nicht zahlen und "No ticket, no money", liessen sie uns zaehneknirschend ziehen. Auch Bettler sind Auslaendern gegenueber viel hartnaeckiger als zu ihren Landsleuten. Oft sind es Kinder, die uns regelrecht verfolgen.

In unserem Hotel fand an diesem Tag die Ringzeremonie, Teil einer Hochzeitsfeier, statt. Wir waehlten wohl einen unguenstigen Zeitpunkt fuer unsere Rueckkehr, denn wir wurden sogleich vom Hotelmanager zu unserem Zimmer gefuehrt. Da es im Zimmer kaelter war als draussen, spazierten wir durch den Markt, wo wir natuerlich freudig begruesst wurden. Auf dem Rueckweg spuerten wir sogar ein paar Regentropfen. Jetzt auch noch Regen, das wird ja immer besser! Vorlaeufig blieb es bei ein paar Tropfen, spaeter sollte es noch richtig regnen. Also fluechteten wir in ein gedecktes Dachrestaurant, von wo wir einen tollen Blick auf das Marktgeschehen hatten.

Die Feierlichkeiten im Hotel waren noch nicht zu Ende, doch der wichtige Teil war anscheinend vorueber, denn wir konnten ungehindert passieren. Auf einer Leinwand wurde zuerst ein Film gezeigt und dann ein Cricketspiel zwischen den beiden Erzrivalen Indien und Pakistan. Es ist natuerlich klar, dass sie ein Spiel (ab DVD) zeigen, in dem Indien seinen Nachbarn besiegt. Nach dem Abendessen bekamen wir noch Reste vom Dessertbuffet zum Kosten, in Milch gekochte Karotten mit viiieeel Zucker und kandierten Fruechten. Sehr suess und "nahrhaft" (Kalorienbombe!!!). So ueberstanden wir die kalte Nacht, bevor wir am naechsten Tag wieder Richtung Sueden reisten.

Patrik